Tag der Archive 5. März 2022Fakten, Geschichten, KuriosesNeun "unerwartete" Archivalien aus dem Niedersächsischen Landesarchiv
Fakten, Geschichten, Kurioses
Anhand von neun Archivalien aus allen Abteilungen des Niedersächsischen Landesarchivs werden Gegenstände präsentiert, die normalerweise nicht in einem Archiv vermutet werden.
Gezeigt werden auch Stücke, hinter denen sich Geschichten verbergen, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Die Ausstellung soll dazu einladen, sich näher mit den gezeigten Objekten zu beschäftigen.
1| Fakten, Geschichten, Kurioses„in Salhundes Hut gebunden“ – Codex Rastedensis
1| Fakten, Geschichten, Kurioses „in Salhundes Hut gebunden“ – Codex Rastedensis
1| Fakten, Geschichten, Kurioses „in Salhundes Hut gebunden“ – Codex Rastedensis
Neben dem Einband sticht insbesondere der erste und sogleich älteste Teil der Handschrift, der sog. Liber vitae, durch seine reiche buchmalerische Ausschmückung hervor. Die Illumination sowie die eingesetzten Illustrationen und weiteren Zierelemente (z. B. Bogenstellung (Arkaden), Rubrizierung) unterstreichen die herausgehobene religiöse Deutung der Handschrift als Abbild des biblisch mehrfach erwähnten „Buch des Lebens“. So diente der Liber vitae der Eintragung von lebenden und verstorbenen Personen und Personengruppen, die durch die klösterliche Gemeinschaft in Rastede liturgisch besonders bedacht wurden (Gebetsverbrüderung bzw. confraternitas).
2| Fakten, Geschichten,. KuriosesLeinsaat ad acta gelegt
Der Handel mit Leinsamen und Produkten der Leinenmanufaktur wurde von der Obrigkeit streng überwacht. Als im April 1733 der Verdacht aufkam, dass in Leer mit minderwertigem Saatgut gehandelt worden sei, wurde sofort eine Untersuchung eingeleitet.
2 | Fakten, Geschichten, Kurioses Leinsaat ad acta gelegt
2 | Fakten, Geschichten, Kurioses Leinsaat ad acta gelegt
Gutachter wurden hinzugezogen, die dem vorgefundenen Saatgut eine schlechte Qualität bescheinigten. Hauptmann Höting wurde einem Verhör unterzogen: „… ob er nicht erkenne, das solche Saat unnütze, und er die Käufer damit betrogen habe?“. Die Anschuldigung lautete, altes für neues Saatgut verkauft zu haben und auch, altes Saatgut unter neues gemischt zu haben. Höting versicherte, den alten Samen als solchen angeboten und zu einem angemessenen Preis verkauft zu haben. Da man ihm nicht das Gegenteil beweisen konnte, verpflichtete man ihn lediglich darauf, einen Eid auf seine Aussage zu leisten.
3| Fakten, Geschichten, KuriosesVier Münzen und ein Nagel
Die Handschriftenabteilung geht auf den Bibliotheksfonds zurück, der v.a. auf Betreiben der Gelehrten Friderici, Abeken und Stüve 1816 gegründet und im Laufe des 19. Jahrhunderts regelmäßig angereichert wurde. Den größten Anteil des Fonds bilden geschichtliche und theologische Werke; griechische und lateinische Klassiker, Jurisprudenz, neuere Dichter und Philosophie sind darin aber auch vertreten.
Bei den Handschriften liegt der Schwerpunkt auf Werken zur Geschichte der Osnabrücker Region, aber einzelne stammen auch aus entfernteren Orten. So das Statutenbuch der Stadt Köln aus dem 16. Jahrhundert, eine großformatige Handschrift in starkem und prächtig verziertem Ledereinband mit Schnallen gebunden, die allerdings nicht nur die Statuten der Stadt Köln enthält, sondern weitere Bestimmungen, Verordnungen, Rechnungen usw.
3| Fakten, Geschichten, Kurioses Vier Münzen und ein Nagel
3| Fakten, Geschichten, Kurioses Vier Münzen und ein Nagel
• Ein einseitiger Heller (Hohlpfennig) der Stadt Köln aus dem 16. Jahrhundert.
• Ein Hohlpfennig aus dem Bistum Minden aus der Zeit Hermanns von Schauenburg (1567-1582). Abgebildet ist das Wappen dieses Bistums (zwei gekreuzte Schlüssel).
• Ein Schüsselpfennig aus der Kurpfalz, geprägt unter Ludwig V. (1508-1544). Das Bild zeigt die Schrift „o L o“ über gespaltenem Schild von Kurpfalz-Main.
Der Erhaltungszustand der vierten Münze lässt keine eindeutige Bestimmung zu, es handelt sich aber um einen Schüsselpfennig mit dreigeteiltem Wappenschild, der ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert stammen dürfte.
Da der erste Teil der Handschrift Rechnungssachen beinhaltet, liegt die Vermutung nahe, dass dem Schreiber bei der Rechnungslegung die Münzen aus der Hand gerutscht sind. Dies kann natürlich auch ein paar Jahre später passiert sein, allerdings noch im 16. Jahrhundert – da keine der vier Münzen jünger ist. Dieser Fund wird die Münzsammlungen ergänzen, die in diversen Beständen des Landesarchivs in Osnabrück aufbewahrt werden (NLA OS Slg 20, NLA OS Slg 21, NLA OS Slg 22, NLA OS Dep 104 I).
4| Fakten, Geschichten, KuriosesSensationelle Entschlüsselung eines Geheimcodes
4| Fakten, Geschichten, Kurioses Sensationelle Entschlüsselung eines Geheimcodes
4| Fakten, Geschichten, Kurioses Sensationelle Entschlüsselung eines Geheimcodes
In dem Kästchen befanden sich Medaillons, Kokarden, Schurze, Brillen, Zangen, ein Vergrößerungsglas und das aus Elfenbein gefertigte Modell eines aufklappbaren Auges. Außerdem die genannte Handschrift und weitere Texte.
Mit Hilfe der Computerkryptografie konnte jetzt das Ritualbuch einer Geheimgesellschaft, die Mitte des 18. Jahrhunderts in Berlin und Wolfenbüttel bestanden hatte, lesbar gemacht werden. Diese Gesellschaft, in der gleichberechtigt adlige Männer und Frauen Mitglieder waren, hatte sich die Aufklärung, das Augenöffnen im übertragenen Sinne, zum Ziel gesetzt. In ihre Gedankenwelt führt der „Codex copiale“ ein.
5| Fakten, Geschichten, KuriosesEin Messer und blutige TaschentücherZeugnisse politischer Kämpfe in der späten Weimarer Republik
Die Streitigkeiten begannen mit gegenseitigen Provokationen und Pöbeleien zwischen Anhängern von KPD und NSDAP am Rande des Markttreibens, und eskalierten, als Kommunisten Scheiben eines Stammlokals der örtlichen SA einschlugen. Bei den darauffolgenden Auseinandersetzungen kam es neben Schlägereien auch zum Einsatz von Knüppeln, sowie eines Taschenmessers mit einer etwa 7 cm langen Klinge. Mit diesem fügte der Kommunist Jakob Freudenthal den SA-Leuten Jensen und Fölser Stichverletzungen am Kopf zu.
Die Tatwaffe sowie drei blutige Taschentücher Freudenthals wurden von der Polizei beschlagnahmt und sind als Beweismittel zu den Verfahrensakten ebenfalls in den Besitz des Landesarchivs gelangt.
5| Fakten, Geschichten, Kurioses Ein Messer und blutige Taschentücher
5| Fakten, Geschichten, Kurioses Ein Messer und blutige Taschentücher
Ein abgebrochenes Strafverfahren
Dadurch, dass sich der Vorfall auf offener Straße und an einem Festtag ereignete, gab es besonders viele Zeugen. Trotzdem leugnete der Hauptbeschuldigte Jakob Freudenthal zunächst in der Vernehmung durch die Polizei, überhaupt etwas von gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Nacht des 10. Novembers mitbekommen zu haben – obwohl sein noch blutiges Messer und die Taschentücher bereits beschlagnahmt worden waren. Die Akte enthält ausführliche Protokolle zu den Vernehmungen der Angeschuldigten und der Zeugen in Rahmen des Ermittlungsverfahrens. Die Anklageschrift kann wegen der Fülle an Zeugenaussagen detailreich die mutmaßlichen Ereignisse darstellen.
Trotz dieser Beweislage endete das Verfahren mit der Freilassung Freudenthals und seiner Mitangeklagten. Das Verfahren wurde infolge der Amnestie des Reichspräsidenten für politische Straftaten vom 20. Dezember 1932 ohne Urteil eingestellt.
6| Fakten, Geschichten, KuriosesWie man einen Geist beschwört, um an einen Schatz zu kommen
6| Fakten, Geschichten, Kurioses Wie man einen Geist beschwört, um an einen Schatz zu kommen
6| Fakten, Geschichten, Kurioses Wie man einen Geist beschwört, um an einen Schatz zu kommen
7| Fakten, Geschichten, KuriosesDie "leichteste Bierflasche" der Welt im "Guiness Buch der Rekorde"
Inzwischen umfasst das Buch zahlreiche Rekorde aus vielen verschiedenen Sachgebieten wie Natur, Wissenschaft, Technik, Leistungen, Kunst, Unterhaltung und natürlich Sport. Die Marke „Guiness Buch der Rekorde“ verzeichnet nicht nur die Rekorde im gleichnamigen Buch, sie stellt zugleich Zertifikate aus über die erreichten Rekorde. Dieses Zertifikat über die „leichteste Bierflasche“ der Welt war von großer Bedeutung für die Glasindustrie in Obernkirchen.
7| Fakten, Geschichten, Kurioses Die "leichteste Bierflasche" der Welt im "Guiness Buch der Rekorde"
7| Fakten, Geschichten, Kurioses Die "leichteste Bierflasche" der Welt im "Guiness Buch der Rekorde"
1864 bis 1916 wurde die Hütte vom patriarchalen Unternehmer Friedrich Carl Theodor Heye geleitet. Er setzte sich für die sozialen Belange der Arbeiter ein, behielt aber auch in einem Arbeitskampf der selbstbewussten Glasarbeiter im Jahr 1901 die Oberhand. Eine Folge war der Durchbruch der Automatisierung.
Eine andere Krise brachte 1985 die Eintragung in das Guiness-Buch: Das Vordringen der leichten Plastikflaschen führte zu einer neuen Produktionstechnik, dem Enghals-Blasverfahren. Damit gelang es, das Gewicht einer 0,33 Liter Bierflasche von den üblichen 200 Gramm auf 135 Gramm zu senken. Das Ergebnis war der „Paderborner Snobby“ – und der Eintrag ins Guiness-Buch.
8| Fakten, Geschichten, Kurioses… aus großer Melancholey der abscheulichen That verfallen? Der Selbstmord des Reeders Laurenz Meiners zu Leer 1736
Der Drost im zuständigen Amt Leerort, Fridag zu Gödens, ordnete eine sofortige Untersuchung an und unterrichtete gleichzeitig den Fürsten Carl Edzard in Aurich. Noch am Vormittag begannen die Beamten mit den Vernehmungen der Witwe, Hausknechte, Verwandten und Repräsentanten der mennonitischen Kirchengemeinde. Am 4. Februar wurde der Bericht - samt Messer - über das Tötungsdelikt an den Fürstenhof in Aurich geschickt. Erstaunlicherweise verblieb das Selbstmordinstrument bei den Akten und überdauerte dort die letzten 300 Jahre.
Doch warum wurde der Vorfall derart akribisch untersucht? Der Tathergang war schnell geklärt: Der „Chirurgus“ bestätigte, dass sich der Reeder mit dem Messer in der rechten Hand sowohl mehrere Adern als auch die Kehle durchtrennt hatte, und dass er wohl noch einige Minuten gelebt hatte. Auch die Blutspuren am Tatort wiesen darauf hin, dass es sich eindeutig um Selbstmord handelte.
8| Fakten, Geschichten, Kurioses … aus großer Melancholey der abscheulichen That verfallen? Der Selbstmord des Reeders Laurenz Meiners zu Leer 1736
8| Fakten, Geschichten, Kurioses … aus großer Melancholey der abscheulichen That verfallen? Der Selbstmord des Reeders Laurenz Meiners zu Leer 1736
Die Zeugenbefragung ergab, dass der Reeder offensichtlich seit mehreren Wochen an einer immer stärker werdenden „Gemüthsverwirrung“ gelitten hatte, an einer „heftigen Gebrechlichkeit seiner Sinne“, einer „Wahnsinnigkeit und Sinnlosigkeit“. Er hörte Stimmen, fühlte sich vom Satan verfolgt, konnte weder Gnade noch Erlösung in Gott finden. Die Beamten waren letztlich überzeugt, dass Meiners aus einer „Verrückung des Verstandes“ und großen „Melancholey“ heraus gehandelt habe. Und da er vorher ein „christliches und bürgerliches Leben geführet“, empfahlen sie eine „stille Beerdigung“ und retteten damit auch die Ehre und das Ansehen seiner Familie.
9| Fakten, Geschichten, KuriosesStadt, Burg und Herrschaft – Der Braunschweiger Burgplatz um 1600
In der Mitte der Stadt lag die Burg, die er nach königlichem Vorbild zwischen 1160 und 1175 zu einer Pfalz ausbauen ließ. Daneben wurde ab 1173 das Stift St. Blasius errichtet.
Wie das Areal zur Zeit des Mittelalters ausgesehen hat, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die älteste zuverlässig erscheinende Ansicht stammt erst aus der Zeit um 1600. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Klappriss. Seine Besonderheit, die ihn zu einem Unikum im deutschen Sprachraum des 16./17. Jahrhunderts macht, liegt in der dreidimensionalen Darstellung.
9| Fakten, Geschichten, Kurioses Stadt, Burg und Herrschaft – Der Braunschweiger Burgplatz um 1600
9| Fakten, Geschichten, Kurioses Stadt, Burg und Herrschaft – Der Braunschweiger Burgplatz um 1600
Die Gestalt des Platzes, die Lage von Dom und Burg erscheinen durchaus vertraut, bei genauerer Betrachtung sind aber auch zahlreiche Details erkennbar, die noch bis ins Mittelalter zurückreichen. Allerdings hat der Zeichner keine maßstabsgetreue Architekturzeichnung beabsichtigt. Die Baulichkeiten werden im Grundriss sowie im Aufriss von der Innen- und der Außenseite des Burgplatzes gezeigt.
In der Mitte des Platzes ist als eigenes kleines Klappbild das um 1166 errichtete Standbild des Burglöwen zu sehen, das Herzog Heinrich zum Zeichen seiner Macht und Gerichtsbarkeit hatte errichten lassen. Bis heute ist es das Wahrzeichen der Stadt.
Fakten, Geschichten, KuriosesArchivalienverzeichnis
NLA OL Best. 23-1 Ab Nr. 1 M, NLA OL Best. 20 Urk. Nr. 1638
2| Verordnungen wegen der Leinenmanufaktur und des Leinenhandels (1703-1741)
NLA AU Rep. 4 B 2 x Nr. 97 Bd. 2
3| Münzen und Nägel im Rechnungsbuch (16. Jh.)
NLA OS Slg 20 Nr. 206, NLA OS Dep 58 d B IX
4| Codex Copiale (18. Jh.)
NLA WO VI Hs 15 Nr. 143
5| Strafverfahren gg. … wg. Landfriedensbruch und Vergehen gegen das Versammlungsgesetz (1932, 1933)
NLA ST Rep. 171a Stade Nr. 131, NLA ST Rep. 1011 Nr. 1 und 2
6| Kriminalprozess gg. ... wg. abergläubischer Handlungen, Schatzgrabungen und dem Herbeirufen von Geistern (1732)
NLA HA Hann. 72 Hannover, Nr. 289
7| "Leichteste Bierflasche der Welt" der Glasfabrik Heye (Obernkirchen) im Guiness-Buch der Weltrekorde
NLA BU Dep. 58 Acc. 2002/009 Nr. 488
8| Untersuchung des Selbstmordes des Reeders Laurenz Meiners zu Leer (1736, 1737)
NLA AU Rep. 4 B 4 h Nr. 100
9| Klappriss des Braunschweiger Burgplatzes um 1600
NLA WO K 13442
Fakten, Geschichten, Kurioses
Fakten, Geschichten, Kurioses
Redaktion
Mit Beiträgen von:
Dr. Stefan Brüdermann, Abteilung Bückeburg (7)
Meike Buck, Abteilung Wolfenbüttel (4, 9)
Dr. Isabelle Guerreau, Abteilung Osnabrück (3)
Dr. Christian Helbich, Abteilung Hannover (6)
Dr. Pia Mecklenfeld, Abteilung Oldenburg (1)
Astrid Parisius, Abteilung Aurich (2, 8)
Jan Seyb, Abteilung Stade (5)
Technische Umsetzung:
Christian Manuel Meyer, Abteilung Zentrale Dienste