Hintergrund: Porträt Königin Christina von Schweden, Sébastien Bourdon 1653, Wikimedia
Unten: Landtagsrezess 1651, NLA ST, Rep. 1 Nr. 2296
Die am 20. Juli 1652 erlassene Regierungsordnung war die logische Folge des vorher verhandelten Landtagsrezesses und regelte für die Schwedenzeit (und z. T. auch darüber hinaus) die Verwaltung der Herzogtümer Bremen und Verden. Hier wurde nicht nur die Union der alten Ritterschaft mit den Donataren festgelegt, die alten Gerichte (darunter das bremische Hofgericht) bestätigt, sondern auch vor allem neue Verwaltungszweige geschaffen, so das Amt des Gouverneurs, der als Statthalter der Königin die Leitung der Regierung in den beiden Herzogtümern übernahm. Er stand auch dem Regierungskollegium vor, das neben ihm aus dem Kanzler und zwei geheimen Räten bestand. Als Angestellte der Regierung fungierten ein Geheimer Sekretär, ein Archivar, ein Registrator und zwei Kanzlisten. Außerdem gab es die neu geschaffene Justizkanzlei, die für das Gerichtswesen zuständig war und aus dem Kanzler und vier Justizräten bestand. Für Berufungen stand das 1653 in Wismar begründete Tribunal zur Verfügung, das für alle schwedischen Provinzen im Reich als letzte Instanz fungierte und 1657 eine eigene Ordnung erhielt. Das ständische Hofgericht übernahm vor allem die Rechtsprechung in zivilen Prozesssachen, während sich die Justizkanzlei vorwiegend um die Kriminalsachen in den Herzogtümern zu kümmern hatte. Eine lange hinausgezögerte Hofgerichtsordnung von 1675 regelte die Bedingungen im Einzelnen. Schließlich ist als wichtige Neuerung noch das im Jahr 1652 begründete Konsistorium zu benennen. Durch die Säkularisation wurde nun auch eine königliche Aufsichtsbehörde nötig, die sich um das gesamte Kirchenwesen inklusive der religiösen Lehre sowie der Aufsicht über die Schulen, das Armenwesen und die Stiftungen zu kümmern hatte. Eine eigene Kirchenordnung wurde trotz Ankündigung in der Regierungsordnung in schwedischen Zeiten nie erlassen. Dafür entstanden im Zuge der stärkeren Zentralisierung und Reglementierung nach 1680 eine Policey-, Holz-, Jagd- und Deichordnung, die weit über die Schwedenzeit hinaus wirksam waren.
Oben: Sammlung von Ordnungen
Darunter: Tribunalsordnung, NLA ST, GHV IV B 034
Darunter: Hofgerichtsordnung, NLA ST, GHV IV B 075
Unten: Polizei-, Deich-, Holz- und Jagdordnung, NLA ST, GHV IV B 075
Hintergrund: Porträt Reinhold Blume, Schloss Osterburg in Groothusen, Besitz Familie Kempe
Bestallung Reinhold Blume 1653, NLA ST, Rep. 5a Nr. 1614
Hintergrund: Karte der Herzogtümer Bremen und Verden 1653, NLA ST, Dep. 10 K Nr. 10273
Kartusche aus der Karte, NLA ST, Dep. 10 K Nr. 10273
Hintergrund:
Karte der Herzogtümer Bremen und Verden 1653, NLA ST, Dep. 10 K Nr. 10273
Links: Kopfschatzbeschreibung für Assel 1663 (Ausschnitt), NLA ST, Rep. 5a Nr. 3269
Rechts: Mannschaftsrolle aus Assel 1682 (Ausschnitt), NLA ST, Rep. 5a Nr. 3638
Bittschriften an die Regierung in Stade dokumentieren ein tragisches Schicksal der Familie Wetegrove. Auf einer Seereise nach Frankreich wurden im November 1673 sechs Personen aus dem Kirchspiel Assel, darunter Marcus Wetegrove, unweit von England von türkischen Seeräubern gefangen genommen und nach Algier in die „barbarische Schlaverei“ gebracht. Im Juli 1674 bat Margarethe Wetegrove um Bewilligung einer Beisteuer zum Freikauf ihres Mannes, da sie mit ihren Kindern „in armuth und noth“ lebte und keine Mittel besaß, ihren „lieben Mann“, der sich in Algier „in großer Drangsaal und elend“ befand, zu erlösen. Dem Gesuch beigefügt ist ein Attest des Pastors und Propstes zu Assel, Mag. Anthon(ius) Hoffmann, mit dem Wunsch, dass „der Ehrliche u. fromme Mann zu seiner Armen Frawen und Kindern wieder gelangen mag“.
Die Regierung fertigte daraufhin einen Kollektenbrief aus, und es gelang, Marcus Wetegrove aus türkischer Gefangenschaft in Algier freizukaufen, allerdings erst 1682 nach neun Jahren Gefangenschaft mit Hilfe des Hamburger Kaufmanns Verpoorten, der das Lösegeld von 1.300 Mark vorstreckte.
Das Beispiel des Marcus Wetegrove aus Assel zeigt, dass ein „namenloser“ Einwohner der Elbe-Weser-Region anhand der vielfältigen und aussagekräftigen Quellen ein Gesicht erhalten und aus dem Dunkel der Anonymität in die Öffentlichkeit geführt werden kann.
Links und rechts oben: Bittschrift von Margarethe Wetegrove an die Regierung 1674, mit Attest des Pastors Hoffmann (NLA ST, Rep. 5a Nr. 4336)
Rechts unten: „Die Stadt Algier“, kolorierter Druck von Bastiaen Stoopendael 1680 (Wikimedia)
Hintergrundbild: Festung Stadt Stade 1680, NLA ST, Dep. 10 K Nr. 10004
Oben: Stadtplan von Stade 1779 (Ausschnitt), NLA ST, Karten Neu Nr. 13652
Darunter: Steinerner Bär in Stade 1706, Stadtarchiv Stade M Fach 26 Nr. 3
Sammlung von Druckschriften NLA ST, Rep. 5a Nr. 643, 814, 815, 1363, 4492
Jauchtzendes Stade
Archivar Johann Hinrich Beye
„Jauchtzendes Stade/ über den vollkommen= und herrlichsten Sieg/ Welchen Ihro Königliche Majestät/ Carolus der XII, […] Bey dem zugleich erfolgtem Entsatze der Belagerten Stadt Narva, Wider den Meineydigen Mußkowiter Heldenmüthigst befochten/ Als Auff des Herrn General-Gouverneurn, Baron Gyldenstern, Excellence hoher Veranstaltung/ An dem desfals verordnetem Danck=Feste/ War der 15. Febr. jetztlauffenden 1701sten Jahrs/ Nach vollbrachtem Gottesdienste/ Das zu allgemeiner allerunterthänigster Freuden=Bezeugung bereitete künstliche Feuerwerck Am selbigen Abend angezündet/ Wie auch die gantze Stadt mit vielen tausend Freuden=Kertzen erleuchtet worden/“.
Titelblatt „Jauchtzendes Stade“ (Ausschnitte), NLA ST, Rep. 5a Nr. 815
Nach dem Tod der Königin Ulrica Eleonora (der Älteren) am 26. Juli 1693 wurde im gesamten Königreich Schweden einschließlich seiner deutschen Provinzen eine allgemeine Landestrauer angeordnet. Dazu gehörte das tägliche einstündige Läuten der Kirchenglocken am Mittag und das Verbot jeglicher Musikausübung sowohl im kirchlichen wie weltlichen Bereich. Dazu gehörte auch, dass die Altäre, Kanzeln, Taufsteine und königlichen Stühle in den Kirchen mit schwarzem Tuch (Boye) bekleidet werden mussten. Der schwedische Baumeister beim Bremer Dom, Daniel Sarnighausen, fragte im August 1693 bei der Regierung in Stade an, welches Tuch für die Auskleidung der Domkirche verwendet werden sollte und fügte zur Entscheidungsfindung zwei verschiedene Proben mit Angaben zu Qualität und Preisen bei. Die Regierung ordnete die Verwendung des preiswerteren Tuchs an (Probe Nr. 2).
Oben rechts: Portrait Königin Ulrica Eleonora (die Ältere) (1656-1693), David Klöcker Ehrenstrahl 1681, Wikimedia
Unten: Schreiben des schwedischen Baumeisters Daniel Sarnighausen in Bremen an die Regierung 1693, mit Tuchproben, NLA ST, Rep. 5a Nr. 1365
Oben: Notenblätter zur Kantate „Es ist ein großer Gewinn wer gottselig ist“ von Vincent Lübeck, NLA ST, Rep. 5a Nr. 1366
Unten: Königliche Verordnung zur Aufhebung der Landestrauer 1695, NLA ST, Rep. 5a Nr. 1365
Oben: Plan von Altkloster, 1670 NLA ST, Karten Neu Nr. 13440
Unten: Alimentationsvertrag des Konvents von Altkloster mit Nonnenunterschriften 1650 (Ausschnitt), NLA ST, Rep. 5a Nr. 6670
Auch wenn es keinen direkten Nachweis gibt, so galt doch wahrscheinlich bereits zur Schwedenzeit eine allgemeine Schulpflicht. Aus den Visitationsberichten des neu begründeten Konsistoriums für die staatliche Aufsicht über das Kirchen- und Schulwesen kann man herauslesen, dass auch kleinere Orte auf dem Land eine Schule als eigenen Ort oder in einer Stube mit entsprechender Größe vorhalten mussten und die Fernhaltung von Kindern vom Unterricht bestraft werden sollte.
Freilich ging es in den Elementarschulen beim Unterricht in erster Linie zunächst nur um das Lesen und Auswendiglernen des Katechismus sowie Schönschrift oder auch Kalligraphie.
Neben den Elementarschulen wurden im 16. und 17. Jahrhundert mit den ersten Gymnasien auch weiterführende Schulen in den Herzogtümern Bremen und Verden gegründet.
rechts: Sammlung kalligraphischer Schriftproben, NLA ST, Rep. 5a Nr. 4978
In Verden wurde 1578 die Domschule eingerichtet, in Stade auf Veranlassung des Magistrats und auf Wunsch der dortigen Bürger 1588 ein lutherisch ausgerichtetes Athenaeum und in Bremen als Gegenstück zum calvinistischen ‚Gymnasium Illustre‘ 1642 ebenfalls ein Athenaeum. Sie sollten die gebildete Jugend auf das Studium der Theologie, später auch der Rechtsprechung (Jurisprudenz) oder Mathematik vorbereiten.
Sammlung von Schriftproben (‚Specimina‘) einer Arithmetik-Klasse, Einzelexemplar zum Fach Arithmetik sowie Blatt mit Winkelberechnungen, alle NLA ST, Rep. 5a Nr. 4998
Im schwedischen Rezess mit der Stadt Stade von 1652 wurde die Zuständigkeit des Magistrats der Stadt Stade für die Schule zwar bestätigt, die Bestallung des ‚rector scholae‘ durfte aber nicht ohne Zustimmung der schwedischen Regierung erfolgen. Die Schule genoss von Anfang an einen guten Ruf, weit über die Stadtgrenzen hinaus. Aus dem Jahr 1690 ist eine erste Schulordnung für das Stader Athenaeum erhalten, die die damals wichtigen Verhaltensregeln für die Schüler festhält. So durften Stader Schüler z. B. im Sommer nicht in offenen Gewässern baden, im Winter nicht Eislaufen oder Schneeballschlachten veranstalten. Es galt ein Waffenverbot (hier sind Degen gemeint) ebenso wie ein Verbot des Haltens von Tauben, Enten oder Singvögeln.
Deckblatt sowie Kapitel XXVI, XXXII und XXXIII der Schulordnung des Stader Athenaeums 1690, NLA ST, Rep. 5a Nr. 5686
Die neue Rolle Stades als Sitz einer schwedischen Regierung und Verwaltung zog im Jahr 1651 den Wolfenbütteler Kupferstecher und Buchdrucker Elias Holwein nach Stade, wo er als bestallter königlich schwedischer Buchdrucker die erste Buchdruckerei in den beiden Herzogtümern begründete.
Oben: Historienkalender 1724, gedruckt von Caspar Holweins Erben, NLA ST, GHV IX H2 36
Rechts: Deckblatt einer von Elias Holwein gedruckten Schulschrift des Stader Athenaeums 1653, NLA ST, GHV VI B1 21
Hintergrund: Deckblatt einer von der Witwe gedruckten Beschreibung des Stader Stadtbrands 1660, NLA ST, GHV III A 24
oben: Deckblatt einer von Caspar Holwein gedruckten Bibel von Johannes Dieckmann 1702, NLA ST, GHV VI A 2 F 135
Hochwasser, Deichbrüche, Feuersbrünste und Stürme: Naturkatastrophen, wie wir sie heute kennen, gab es schon immer – auch in der Schwedenzeit. Eine besondere Gefahr für das Elbe-Weser-Gebiet stellten dabei die Nordsee und die beiden Flüsse dar. Drei Sturmfluten trafen die Küsten Bremen-Verdens während der Schwedenzeit: Die Petriflut 1651, die Katharinenflut 1685 und die hier zu sehende Weihnachtsflut 1717.
Auch Feuersbrünste stellten immer wieder eine gefährliche und existenzbedrohende Gefahr dar. Meist durch menschliche Unachtsamkeit, seltener durch Blitzeinschläge oder Mutwillen entstanden, breitete sich das Feuer rasch von einem Fachwerkhaus zum nächsten aus. Besonders betroffen war das schwedische Verwaltungszentrum Stade: 1659 wurden zwei Drittel der Stadt durch einen gewaltigen Brand zerstört, wie auf der Karte zu sehen. Selbst die Schwedische Regierung wurde vom Brand überrascht – ein Protokoll wurde angesengt und dann bis nach Kollmar in Holstein geweht. Heute befindet es sich wieder im Niedersächsischen Landesarchiv.
oben: Stadtplan mit Zerstörungen nach dem Stader Stadtbrand 1659, NLA ST, GHV III A 30
rechts: Titelblatt einer Druckschrift zur Weihnachtsflut 1717, NLA ST, Rep. 5a Nr. 4285
Bauvorschlagsskizze zum Verdener Dom 1709, NLA ST, Karten Neu Nr. 14461
Im Verlauf des Großen Nordischen Krieges (1700-1721) änderten sich die Mächtekonstellationen in Nordeuropa – mit wesentlichen Auswirkungen auf die Elbe-Weser-Region. Die Großmacht Schweden verlor ihre Vorherrschaft, Brandenburg-Preußen, Russland und das seit 1714 in Personalunion mit Großbritannien verbundene Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover) übernahmen die schwedischen Besitzungen im Nord- und Ostseeraum. Die Herzogtümer Bremen und Verden wurden 1719/20 von Schweden an Kurhannover abgetreten.
Nach dem Tod des schwedischen Königs Carl XII. bei der Belagerung der norwegischen Festung Fredrikshald im Dezember 1718 wurde seine Schwester Ulrica Eleonora (die Jüngere) (1688-1741) für gut ein Jahr Königin von Schweden. Sie unterstützte den Friedensprozess. Die Verhandlungen in Stockholm führten im Sommer 1719 zu einem Präliminarfrieden, der endgültige Friedensvertrag wurde am 9./20. November 1719 abgeschlossen und am 23. November/4. Dezember 1719 von Königin Ulrica Eleonora ratifiziert. Die bevollmächtigten Unterhändler waren von schwedischer Seite die Reichsräte und Grafen Gustav Cronhielm (Präsident des Kanzleikollegiums), Karl Gustav Dücker (Feldmarschall und Kriegsrat), Gustaf Adam Taube (Oberstatthalter in Stockholm) und Magnus Julius De la Gardie (Präsident im Kommerzkollegium) sowie der Etatssekretär Daniel Niklas von Höpken und von hannoverscher Seite der Minister Oberst Adolph Friedrich von Bassewitz.
Hintergrund oben: Portrait Königin Ulrica Eleonora (die Jüngere) (1688-1741), Engelhard Schröder, Wikimedia
Oben: Friedensvertrag zwischen Schweden und Kurhannover 1719, mit königlich schwedischem Siegel, NLA HA, Hann. 10 Nr. 387
Unten: Vollmacht der Königin (li.) und Unterschriften der Unterhändler (re.), NLA HA, Hann. 10 Nr. 387
Anmerkung: Da in Schweden noch der alte julianische Kalenderstil galt, finden sich unter dem Friedensvertrag zwei verschiedene Daten mit einer Differenz von elf Tagen.
Die Ausstellung „Schwedenzeit 1648-1719. Weg in die Moderne?“ wurde anlässlich der Fertigstellung des mehrjährigen Forschungsprojekts zur Erschließung des umfangreichen Bestandes des „Schwedischen Regierungsarchivs“ (NLA ST, Rep. 5a) im Niedersächsischen Landesarchiv in Stade gezeigt und anschließend virtuell aufbereitet.
Abbildung Eingangsseite: "Allee zum Schloss Agathenburg“ ©Niedersächsisches Landesarchiv 2024
Beiträge von: Dr. Thomas Bardelle, Dr. Beate-Christine Fiedler, Dr. Malte de Vries, Dr. Lukas Weichert, alle NLA - Abteilung Stade
Gestaltung: Anna von Bargen, NLA - Abteilung Stade
Technische Umsetzung: Christian Manuel Meyer, NLA - Abteilung Zentrale Dienste