Dreißig Jahre Krieg, fünf Jahre diplomatisches Ringen und ein monumentales Vertragswerk: Der Westfälische Frieden von 1648. Zeitgenössisch wurde er in Teilen schnell als notwendiges Übel empfunden. Und die Geschichte zeigt, dass der Frieden in Europa nicht lang hielt. Kann uns daher ein 375 Jahre alter Friedensschluss heute noch etwas erzählen? Und was ist von den Menschen aus der Zeit geblieben? Wie erlebten sie Krieg und Friedensschluss?
Die 2023 für den Landkreis Osnabrück in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Osnabrück, der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück sowie dem Kulturbüro des Landkreises entwickelte Wanderausstellung „LebensBilder“ wirft Schlaglichter auf Ereignisse und Personen im Hochstift Osnabrück. Deren Spuren sind teilweise bis heute sichtbar. Archivgut und Hinterlassenschaften der materiellen Sachkultur helfen die Geschichte zu begreifen. Ihre Lebensgeschichten zeichnen Bilder der Vergangenheit: Mal mehr und mal weniger detailliert.
Jede und jeder entdeckt es auf seine Weise. Machen Sie sich gerne selbst ein (Lebens)Bild.
Die Gesellschaft ist im 17. Jahrhundert in Stände gegliedert. Sie grenzen sich durch Abstammung, Rechte und Aufgaben strikt voneinander ab. In der Regel wird zwischen Klerus, Adel und bäuerlichem Stand unterschieden. Je nach gesellschaftlicher Stellung unterscheidet sich auch der Handlungsspielraum. Adelige und Angehörige des Klerus bilden die gesellschaftliche und politische Elite der Zeit. Als privilegierter Herrschaftsstand und Träger der Gerichtsbarkeit haben sich zahlreiche schriftliche Zeugnisse ihres Wirkens erhalten. Einzelschicksale der einfachen Bevölkerung sind schriftlich hingegen wenig überliefert. Archäologische Funde helfen, sich deren Alltag zu nähern.
Ob nun kriegerischer Generalmajor, belagerter Hauptmann, geschäftiger Landadeliger, bedrohte Stiftsdame, ausgebeutete Landbevölkerung oder entlassene Pfarrer – alle erzählen einen Teil der Geschichte. Einem Puzzle gleich setzt sich jedes LebensBild aus Fakten sowie eindrucksvollen Porträtzeichnungen zusammen, die teils auf realen Vorlagen basieren. Fehlt auch an einigen Stellen ein Puzzlestück, alle zusammen ergeben ein anschauliches Bild von Krieg und Frieden.
Eine 2023 zur Ausstellung entworfene Begleitbroschüre enthält zudem QR Codes für fiktive Hörtexte, in denen die Figuren auch selbst zu Wort kommen. Zusammengestellte Redewendungen und Sprichwörter belegen, dass sich diese bis heute in unserem Sprachgebrauch gehalten habe. Die Broschüre steht auf der Homepage des Museums im Kloster als PDF-Datei zum kostenlosen Download bereit: https://museum-im-kloster.de/publikationen
Foto: Judith Franzen, Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück
und seine Folgen
Seit der Reformation 1517 wachsen die konfessionellen Spannungen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, das in hunderte eigenständige Territorien zersplittert ist. Der Krieg wird letztlich durch einen Aufstand in Böhmen ausgelöst, den Prager Fenstersturz. Die europäischen Mächte kämpfen in wechselnden Koalitionen gegeneinander. Neben konfessionellen Fragen geht es auch um die Durchsetzung geostrategischer und machtpolitischer Interessen.
Dem Krieg folgen Epidemien und Nahrungsmangel. Insgesamt sterben schätzungsweise 30 % der Bevölkerung, also etwa 5 bis 6 Mio. Menschen. Die Auswirkungen sind regional sehr unterschiedlich und ziehen sich wie eine Art „Zerstörungsdiagonale“ durch das Reich. Während der Südosten des Reiches verwüstet und ganze Landstriche entvölkert werden, ist der Nordwesten kaum oder nur indirekt betroffen. Dennoch sind die sozialen und wirtschaftlichen Kriegsfolgen auch hier einschneidend spürbar. Als Bischof und Landesherr über das Fürstbistum Osnabrück versuchte sich Franz Wilhelm von Wartenberg mit den Mitteln seiner Zeit über die Kriegsereignisse auf dem Laufenden zu halten. So enthält eine von der bischöflichen Kanzlei eigens angelegte Akte mit Korrespondenz und Berichten zu den Kriegsereignissen eine Tuschzeichnung zur Truppenaufstellung der katholischen Liga für die Schlacht bei (Hessisch) Oldendorf 1633. Diese endete in einer herben Niederlage für die Kaiserlichen, die den Schweden den Weg zur Eroberung der Stadt Osnabrück ebnete.
Aufstellung der Schlacht bei (Hessisch) Oldendorf, 1633. NLA OS Rep 100 Abschnitt 4 Nr. 12
1608 wird Friedrich Christoph in Schlossböckelheim (Pfalz) in die evangelisch-reformierte Familie der von Hammersteins geboren. Als er 14 Jahre alt ist, sterben seine Eltern an der Pest. Er bleibt zunächst bei Verwandten in Detmold, bis er 1626 in das Söldnerherr Ernst von Mansfelds eintritt. Nach dem Tod von Mansfelds zieht er an den Hof seiner Tante Gertrud von Peblis nach Zürich. Die gut vernetzte Tante sympathisiert mit dem schwedischen Königshaus, das 1628 in den Krieg eintritt. Womöglich durch ihre Haltung bestärkt, meldet er sich 1628/29 zur schwedischen Armee. Es folgt eine steile Karriere vom einfachen Fußsoldaten zum Generalmajor der Kavallerie bei der Königsmarck’schen Armee. Im Osnabrücker Land gehört er 1647 zu den Befehlshabern, die den im Hochstift Osnabrück strategisch wichtigen Grenzort Fürstenau belagern und erfolgreich einnehmen.
Bedeutenden Einfluss auf die europäische Politik und die militärischen Ereignisse hat er keinen. Dennoch bleiben sein Verantwortungsbewusstsein, seine Loyalität und sein Kriegsgeschick der schwedischen Führung nicht verborgen. Dies mündet nicht zuletzt in seiner Ernennung zum Generalmajor 1646. Nach dem Krieg dient er noch bis 1663 dem Hause Braunschweig-Lüneburg als Generalmajor. Danach widmet er sich erfolgreich der Landwirtschaft und verstirbt hochbetagt 1685 auf seinem Alterssitz Oelentrup (Lippe).
„1646 ihm die General-Majors-Charge über die Cavallerie auffgetragen, die er mit besonderem Ruhm ausgeführet, daß I[hre] Königliche Majestät gutes Wolgefallen daran gehabt.“
Gekürztes Zitat aus seiner Leichenpredigt. NLA OS Dep 69 b Nr. 33
Im schwedischen Heer legt Friedrich Christoph von Hammerstein nahezu 100.000 km durch weite Teile Europas zurück und erlebt unversehrt die volle Grausamkeit des Krieges. Als Heerführer ist er um eine verhältnismäßige Kriegsführung bemüht. Dennoch sind Plünderungen für ihn zur Sicherstellung der Truppenverpflegung durchaus ein probates Mittel. Im Gegensatz zu anderen Obristen bleibt der überzeugte Protestant stets dem schwedischen Lager treu. Als Auszeichnung trägt er 1650 den Baldachin Christinas von Schweden anlässlich ihrer Krönung. Seinen versprochenen Lohn erhält er allerdings nie. Der heutigen Überlieferung ist er nahezu unbekannt.
Sein Lebenslauf ist geprägt vom Militär und der Notwendigkeit adeliger Familien, sich durch ihre ausgedehnten Netzwerke in den Wirren des 17. Jahrhunderts zu behaupten. Er selbst bleibt kinderlos, sorgt sich jedoch stets um das Auskommen seiner Nichten und Neffen. Von Oelentrup aus wird er zum Mittelpunkt der Familie. In seiner Leichenpredigt lässt er basierend auf seinen eigens verfassten Memoiren auf sein bewegtes Leben beinahe demütig und bescheiden zurückblicken. Das darin enthaltene Totenbildnis zeugt jedoch von Standesbewusstsein und einem gewissen Stolz auf die militärischen Leistungen.
Totenbildnis (Druck) 1685. NLA OS Dep 69 b Nr. 33
Kobolt von Tambach, ursprünglich aus Bayern, kommt als Kammerdiener im Gefolge des katholischen Bischofs Franz Wilhelm von Wartenberg nach Osnabrück. 1632 wird er Burgkommandant und Drost von Fürstenau. Damit ist er oberster Verwaltungsbeamter im Norden des Hochstifts Osnabrück. Unter seinem Kommando wächst die Festungsbesatzung von anfänglich 38 Mann (1636) auf 375 Personen (1639) an. 1637 hält er der Belagerung durch Wilhelm von Hessen stand. Es gelingt ihm, die Schäden schnell zu beheben und die Festung weiter auszubauen. Obwohl noch ohne eigene Kampferfahrung, wird er 1638 zum Hauptmann ernannt.
1647 wird Fürstenau von schwedischen Truppen unter Generalleutnant Hans Christoph von Königsmarck und Generalmajor Friedrich Christoph von Hammerstein belagert. Nach gescheiterten Verhandlungen verstärkt sich der Beschuss auf die Festung von Tag zu Tag. Da die Lebensmittel- und Munitionsvorräte zur Neige gehen, verweigern die Soldaten nach 14 Tagen angesichts der aussichtslosen Lage den Befehl. Fürstenau fällt an die Schweden und Kobolt von Tambach zieht mit seinen Offizieren ab. Nach Ende des Krieges lebt er von der Bewirtschaftung seines Gutes, der Schwankenburg bei Haselünne, die durch die Heirat mit Johanna Elisabeth von Hake in seinen Besitz gekommen war.
„baldt darauff den gantzen abent ohne unterlaß mit stucken, bummen [Bomben] und steinen auff das schloß gespielet [geschossen worden].“
Gekürztes Zitat. Belagerung Fürstenaus 1647. NLA OS Rep 100/246/9
Während des Dreißigjährigen Krieges finden keine bedeutenden kriegerischen Ereignisse im Fürstbistum Osnabrück statt. Dennoch ist die Bevölkerung indirekt durch Truppendurchmärsche, Einquartierungen und Plünderungen vom Krieg betroffen. Gegen Ende der in Osnabrück und Münster stattfindenden Friedensverhandlungen kommt es 1647 zur Belagerung und Eroberung der an der nördlichen Bistumsgrenze gelegenen strategisch wichtigen Festung Fürstenau. Seit den 1980er Jahren finden archäologische Untersuchungen rund um die alte Burganlage statt. Unter anderem werden zahlreiche Stein- und Eisenkugeln an der Nordbastion der Befestigungsanlage entdeckt. Die für Kanonen und Musketen verwandten Kugeln könnten 1647 verwendet worden sein.
Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges wird standardisierte Kleidung für die Söldnerheere eingeführt. Diese dient vor allem als lebenswichtiges Erkennungsmerkmal auf den von Pulverdampf erfüllten Schlachtfeldern. Für die im Dienst des Osnabrücker Bischofs stehenden Soldaten werden bereits 1604 Überlegungen zur Einführung einer Uniform angestrengt. Ob diese umgesetzt wurden, ist jedoch nicht bekannt. Der erhaltene Teil der Tuschzeichnung eines Soldaten dient hier jedoch als Vorlage für die Zeichnung Kobolt von Tambachs für den keine Bildnisse überliefert sind.
Tuschzeichnung einer Soldatenuniform, 1604 NLA OS Slg 50 Nr. 258
Hintergrund: Stein- und Eisenkugeln Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück
Lucretia wird um 1605 auf Gut Hopen nahe Lohne in die evangelische niederadlige Familie von Haren geboren. 1614 folgt sie ihrer Schwester ins Stift Börstel. Mit neun Damen, die unterschiedlichen Konfessionen angehören, steht sie im Dienst der adligen Stiftsgemeinschaft. Sie nimmt weiter regen Anteil am gesellschaftlichen Leben, wie auch die anderen Frauen.
Ab 1621 wird die Gegend wiederholt von verschiedenen durchziehenden Truppen geplündert. Lucretia erlebt Überfälle auf Börstel und Gut Hopen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten setzt sie sich für den Schutz des Stifts ein. Durch Überfälle, knappe Lebensmittel und verfallende Gebäude verschlechtern sich die Lebensbedingungen in den 1630er Jahren dramatisch. Zeitweise fliehen alle Stiftsdamen auf Burgen in der Umgebung. Die Schulden des Stiftes wachsen. 1634 lassen die Schweden das übriggebliebene Stiftseigentum inventarisieren, um weitere Abgaben zu organisieren. Das abgedruckte Zitat aus dem Abschlussprotokoll verdeutlicht, wie wenig dem Stift letztlich blieb.
1640 verlässt Lucretia auf bischöflichen Erlass aufgrund eines Streites über die Standesmäßigkeit einer Stiftsdame erneut Börstel. 1651 kehrt sie zurück und lebt im Stift Börstel vermutlich bis zu ihrem Tod in den 1670er Jahren.
„bitten also umb gottes willen, unser anoch weinigh habendes guth zulassen, darmit wir als adliche Persohnen mit dem bedelstab nicht davon gehen mogen.“
Abschlussprotokoll nach der Plünderung durch die Schweden. NLA OS Dep 91 b Akz. 2011/059 Nr. 1204
Die an den Marschrouten gelegenen Dörfer und Städte versorgen die Soldaten und den dazugehörigen Tross. 1623 lagert Herzog Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel drei Tage auf der Iburg im Osnabrücker Südkreis. Die Bevölkerung der Kirchspiele Dissen, Hilter, Glane, Laer und Glandorf ist gezwungen, 20.000 Pfund Brot, 400 Bierfässer und 50 Wagenladungen Hafer abzugeben.
Auch die Klöster im Osnabrücker Land sind von der Versorgungslast betroffen. Darüber hinaus werden neben Naturalien horrende Geldsummen erpresst. Um den eigenen Besitz zu schützen, werden daher Wertgegenstände und Münzen in diesen unruhigen Zeiten oftmals vergraben. Die Verstecke geraten jedoch teils in Vergessenheit oder der Besitzer bzw. die Besitzerin wird durch Krankheit und Tod am Heben des Schatzes gehindert. Meist zufällig werden einige nach vielen Jahrhunderten wiederentdeckt. So auch die abgebildeten Silbermünzen aus dem 17. Jahrhundert, die bei Renovierungsarbeiten im ehemaligen Bersenbrücker Kloster gefunden wurden.
Silbermünzen, Deutsches Reich und Niederlande, 17. Jahrhundert Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück
Diese Magd steht stellvertretend für viele Bedienstete aus unterschiedlichen Berufsgruppen. Ihr Alltag und ihre Arbeit sind mit den uns heute zur Verfügung stehenden Quellen unzugänglich. Über die individuellen Lebensgeschichten und Schicksale ist wenig bis nichts überliefert.
Viele Menschen leben im 17. Jahrhundert am Existenzminimum. Klimatische Veränderungen führen zu Hungersnöten, epidemische Krankheiten (Tuberkulose, Cholera, Typhus, Pest) breiten sich aus. Die Wirtschaftskrise hat weitreichende soziale Folgen. Die Abwärtsspirale aus Plünderungen, Gewalttaten, Armut und katastrophalen hygienischen Zuständen lässt sich kaum aufhalten. Die Unbarmherzigkeit des Alltags betrifft (fast) alle Bevölkerungsgruppen. Nicht erklärbare Natur- und Himmelserscheinungen wie z.B. Kometen und Kugelblitze werden als Anzeichen einer nahenden Katastrophe gedeutet. Der Aberglaube ist innerhalb der Bevölkerung tief verankert und bietet weiteren Nährboden für den Glauben an Zauberei und Dämonen. Bei archäologischen Ausgrabungen finden sich häufig Alltagsgegenstände wie Henkelgefäße (links) und Stielgrapen aus Keramik, die in den Küchen der einfachen Landbevölkerung zu finden gewesen sind.
Gebrauchsgeschirr aus dem 17. Jahrhundert Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück
In Osnabrück und Münster findet zwischen 1643 und 1648 ein Friedenskongress von nie dagewesenem Ausmaß statt. Dafür werden die Städte für neutral erklärt – der Krieg währenddessen weitergeführt. Insgesamt vertreten 109 diplomatische Gesandtschaften 16 europäische Staaten, 140 Reichsstände und Fürsten sowie 48 weitere Mächte. In Münster verhandeln Gesandte des Kaisers mit Frankreich, Spanien und den Vereinigten Provinzen der Niederlande. Die kaiserlichen und schwedischen Vertreter führen mit den protestantischen Reichsständen Gespräche in Osnabrück.
Zu der Zeit leben in der Stadt Osnabrück etwa 6.000 Menschen. Diese schultern die Versorgung der europäischen Unterhändler samt Gefolge und Familienangehörigen. Allein die schwedische Gesandtschaft besteht aus 160 Personen, darunter 55 als Wachpersonal und 27 für den Fuhrpark. Die Unterbringung der Delegationen erfolgt überwiegend in Gaststätten und Bürgerhäusern.
Als Ergebnis der Friedensverhandlungen gibt es zwei Vertragswerke:
• Instrumentum Pacis Osnabrugensis (IPO), ein Vertrag zwischen Kaiser, Reichsständen und Schweden. Dieses Dokument regelt auch die grundsätzlichen Nachkriegsverhältnisse im Hochstift Osnabrück.
• Instrumentum Pacis Monasteriensis (IPM), ein Vertrag zwischen Kaiser und Frankreich. Die 120 Paragrafen bestätigen unter anderem die Regelungen des IPO.
Bereits am 6. August 1648 beschließen die Gesandten in Osnabrück per Handschlag das Osnabrücker Instrument. Aus Rücksicht auf ihre französischen Verbündeten unterschreiben die Schweden dieses Vertragswerk aber nicht direkt vor Ort. Erst am 24. Oktober kommt es in Münster zwischen dem Kaiser und Frankreich zum besagten Friedensschluss. Hier werden letztlich beide Instrumente besiegelt. Am 25. Oktober folgt die Verkündung an der Freitreppe des Osnabrücker Rathauses. Die Gesandtschaften ziehen jedoch nicht direkt ab. So verließen die Schweden Osnabrück erst Ende 1650.
Historisches Wandgemälde von Leonhard Gey 1879/80. Bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg befand sich das Bild in der Aula des Realgymnasiums Osnabrück. Museum Industriekultur Osnabrück, Foto: Rudolf Lichtenberg
Clamor Eberhard wird 1611 in die lutherische Familie von dem Bussche zu Hünnefeld in Bad Essen geboren. Seine Geschäfte und sein Gesundheitszustand sind in so genannten Schreibkalendern gut überliefert. Diese Aufzeichnungen ermöglichen persönliche Einblicke in die Lebenswelt eines Osnabrücker Landadeligen im 17. Jahrhundert. Sie offenbaren auch ein weitreichendes Geflecht an engen familiären und freundschaftlichen Beziehungen. Selbst zu Kriegszeiten unternimmt Clamor Eberhard ausgedehnte Geschäftsreisen und Verwandtenbesuche. Dank seiner guten wirtschaftlichen Lage kann er seinen Besitz stetig erweitern. Mit der Zeit wird er ein gefragter Geldgeber. Er verleiht Kredite an die Stadt Osnabrück, den Osnabrücker Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg und tritt als Gläubiger auf.
Clamor Eberhard thematisiert auch die Lebensumstände der lokalen Bevölkerung. Ebenso spielen die politischen und militärischen Ereignisse in der Region, im Reich und in Europa eine wichtige Rolle. Er berichtet auch über den Friedenskongress. Als Mitglied der Osnabrücker Ritterschaft ist er unmittelbar am Schicksal des Hochstifts interessiert. Zwar nimmt er nicht direkt an den Verhandlungen teil, trifft aber mehrfach die schwedischen Gesandten Johann Axelsson Oxenstierna und Johan Adler Salvius. Kurz vor seinem 55. Geburtstag stirbt Clamor Eberhard 1666 an den Folgen einer langjährigen Erkrankung.
„Friedensslus zu Osnabruck mit grossem triumpf publiciret unndt proclamirt word[den].“
Schreibkalender vom 25./15. Oktober 1648. NLA OS Dep 24 b II Nr. 434
Diese sind seit Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem beim Adel beliebte Massendruckerzeugnisse. Sie folgen einem schematischen Aufbau mit Kalender- und Textteil. Von Clamor Eberhard sind 20 Schreibkalender überliefert. Mit Lücken umfassen sie den Zeitraum von 1627 bis 1665. Als Bestandteil des Gutsarchivs der im Wittlager Land ansässigen Familie von dem Bussche-Hünnefeld werden sie vom NLA OS verwahrt. Zunächst noch selten und sparsam formuliert, werden die Einträge bald ausführlicher und dienen u.a. als Gedächtnisstütze für seine Geschäfte.
Die Schriftstücke enthalten die alte und neue Zeitrechnung (Umstellung vom julianischen zum gregorianischen Kalender). In Deutschland führen 1583 erste Gebiete die neue Kalenderform ein. Die Reform dauert jedoch an. In Osnabrück erfolgt sie erst im Januar 1651. Am 25./15. Oktober 1648 notiert Clamor Eberhard die Verkündung des Friedensschlusses in Osnabrück.
Schreibkalender von Clamor Eberhard von dem Bussche zu Hünnefeld, 1648 NLA OS Dep 24 b II Nr. 434
Das Osnabrücker Land wird vom Dreißigjährigen Krieg nicht so verheerend verwüstet wie Mittel- und Süddeutschland. Dennoch sind die sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die ländliche Bevölkerung deutlich spürbar. Die Grenze zwischen schwedischem und kaiserlichem Machtgebiet verläuft quer durch das Hochstift. Für die Versorgung der Truppen samt Tross fordern beide Seiten Kontributionen. Daneben drohen ständig Überfälle, Verwüstungen und Plünderungen von Arbeitsgeräten, Nutztieren und Vorräten. Die Lebensgrundlage der Landbevölkerung ist dauerhaft in Gefahr. Von welcher Kriegspartei die Menschen bedroht werden, macht vermutlich keinen Unterschied.
Die aus den Ämtern des Hochstifts Osnabrück überlieferten Beschwerden und Klagen bezeugen die angespannte Situation. Wenngleich die zeitgenössischen Schilderungen stellenweise überspitzt erscheinen, geben sie einen Eindruck von den widrigen Zuständen, denen die Landbevölkerung ausgesetzt ist. Auch nach Ende des Krieges bessert sich die Situation zunächst nicht. Die befestigten Orte beherbergen weiterhin große Truppenteile. Die schwedischen Besatzer fordern beispielsweise für den Abzug ihres Militärs eine Entschädigung von 80.000 Reichstalern. Erneut werden Kontributionen erhoben. Zudem drohen der Landbevölkerung Überfälle von umherziehenden, oftmals unbezahlten Söldnern ohne Perspektive.
„wir von den durchmarchieren Kayserlichen troppen, welche 4, in die 5 stunden bey unß gefuttert, zu 400 oder woll mehr an der zahl, alles deß unsrigen, beraubt und entsetzt daß weder huner, ferchen [Ferkel] oder kölber wir aufferziehen oder behalten mügen.“
Gekürztes Zitat nach einer Beschwerde 1639 von Heuerleuten des Kirchspiels Venne. NLA OS Rep 100/99/1 Bl. 173-174
Bei archäologischen Ausgrabungen finden sich häufig Fragmente von Tonpfeifen. Mit der Entdeckung Kubas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 beginnt die Geschichte des Tabaks auch in Europa. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts setzt sich das Genussmittel in Frankreich und England durch. Erst mit den herumziehenden Söldnerheeren während des Dreißigjährigen Krieges verbreitet sich der Tabakgenuss deutschlandweit in allen Teilen der Gesellschaft. Die in Osnabrück gefundenen Tonpfeifen stammen hauptsächlich aus dem niederländischen Produktionszentrum Gouda. Im 17. Jahrhundert war es üblich, die Fersenmarke am Pfeifenkopf mit einem Stempel zu versehen. Die Verzierungen mit Buchstaben oder Motiven stehen dabei für die jeweilige Pfeifenbäckerei.
Tonpfeifen Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück
Die europäischen Mächte stecken im Vertragswerk ihre Herrschaftsgebiete neu ab. Es regelt den zukünftigen Umgang miteinander und wird zum Fundament des europäischen Völkerrechts. Auf deutschem Reichsgebiet können nun weltliche und geistliche Fürsten sowie die freien Reichsstände nahezu unabhängig vom Kaiser ihre eigenen Belange regeln. Das Heilige Römische Reich wird zum „Staatenbund“.
Für das Osnabrücker Fürstbistum sieht der Westfälische Frieden eine gemischtkonfessionelle Lösung vor. Notwendige Ausführungsbestimmungen werden 1650 in der Capitulatio Perpetua (Ständige Wahlkapitulation) geregelt. Als eine Art Grundgesetz des Hochstifts regelt sie neben der Religionszugehörigkeit von Pfarreien und Klöstern nahezu alle Bereiche des Zusammenlebens: von der Wahl sowie den Rechten und Pflichten des Bischofs, über den Aufbau von Justiz und Verwaltung bis hin zu Festlegung auf den gregorianischen Kalender. Stichtag für die Zuordnung der Konfessionen in den einzelnen Pfarreien ist der 1. Januar 1624. So wird ein 26 Jahre alter Zustand zum „Normaljahr“, was in der Folge zu Konflikten führt.
Das Osnabrücker Friedensinstrument (IPO) von 1648 mit den Siegeln aller Kongressgesandten. NLA OS Dep 104 VI, Foto: Faksimile des Wiener Exemplars im Osnabrücker Rathaus
Eine Visitation durch den Generalvikar Albert Lucenius dokumentiert 1624 die konfessionelle Aufteilung der Pfarreien. Steht dem Hochstift zwar ein katholischer Bischof vor, so zeigen sich in den Gemeinden neben den eindeutig katholischen oder evangelischen Pfarreien auch viele Mischverhältnisse. Im Laufe des Krieges werden zudem manche Pfarrämter durch gewaltsam wechselnde Herrschaftsverhältnisse mehrfach neu besetzt. So wird der katholische Pfarrer Lucas Beckmann nach der Eroberung der Region durch die Schweden 1633 aus seinem Amt in Alfhausen gedrängt und durch einen lutherischen Geistlichen ersetzt. Bis Kriegsende wird Beckmann mehrmals in seinen Posten wiedereingeführt und entfernt. Dies durchleben auch Pater Heinrich Augustini aus der Kirche im Flecken Iburg und Pater Johan Geisel in Glane. Ähnlich ergeht es dem evangelischen Pastor Jacob Veltmann in Dissen. Pastor Albertus Rodemeister aus Hagen wird 1637 sogar von seinen Gemeindemitgliedern aus kaiserlicher Gefangenschaft freigekauft.
Zur Befriedung der Verhältnisse sieht der Westfälische Frieden für das gemischtkonfessionelle Hochstift ein Simultaneum mit gleichen Rechten für beide Konfessionen vor. Gegen die auf dem Normaljahr von 1624 basierende konfessionelle Zuteilung regt sich jedoch mancherorts noch jahrhundertelang teils großer Widerstand.
„woruber sie dann daß helle licht deß evangelii verlohren und viel schmahliche verfolgunge von dem catholischem pastori leiden mußen.“
Gekürztes Zitat nach einer Beschwerde 1663 im Kirchspiel Glandorf über die Zuordnung der Kirche zum Katholizismus. NLA OS Rep 100/367 Nr. 11 Bl. 24
Dem Hochstift Osnabrück steht nun abwechselnd ein vom Domkapitel gewählter katholischer Fürstbischof und ein protestantischer Fürst aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg vor. Die konfessionelle Festlegung der Kirchspiele richtet sich nach der Konfession des Pfarrers im Jahr 1624, welches im Westfälischen Frieden als „Normaljahr“ festgelegt wurde. Für Konfliktpotential sorgen nicht nur die Umstände des sonntäglichen Kirchgangs, sondern auch die Abhängigkeit der Pfarrer von den Einkünften aus der Pfarrei oder der Schulbesuch. So laufen Kinder für einen konfessionsgerechten Unterricht teils kilometerweit. Zudem bleibt die Konfessionszugehörigkeit für einige Kirchspiele ungeklärt. Für diese ist ein Simultaneum, die gemeinsame Nutzung von Inventar und Kirche, vorgesehen. Neben der Aufteilung des Kirchenvermögens führt dies auch zu aus heutiger Sicht kuriosen Begleiterscheinungen. In Badbergen wird beispielsweise die gemeinsame Nutzung des Taufsteins mit einem zweiteiligen Einsatz gelöst. Die Capitulatio besteht bis zur Säkularisierung 1803. Die konfessionellen Regelungen prägen den Landkreis Osnabrück, der etwa den Grenzen des Hochstifts entspricht, aber bis heute.
Die Capitulatio Perpetua Osnabrugensis vom 28. Juli 1650. Ausfertigung auf Pergament mit den Siegeln der Unterzeichner. Bistumsarchiv Osnabrück, BAOS U1. 1650 Juli 28 Capitulatio perpetua.
Gestaltung, Graphik und Inhalt der Wanderausstellung:
Judith Franzen, Stadt- und Kreisarchäologie im Osnabrücker Land Katharina Pfaff, Kulturbüro des Landkreises Osnabrück Anna Philine Schöpper, Kreis- und Kommunalarchiv Osnabrück im Niedersächsisches Landesarchiv, Abteilung Osnabrück (NLA OS)
Illustrationen: Tobias Pfaff
Technische Umsetzung der Virtuellen Ausstellung Christian Manuel Meyer, Niedersächsisches Landesarchiv, Abt. Zentrale Dienste
Personenbezogene Bezeichnungen in der Ausstellung beziehen sich in gleicher Weise auf alle Geschlechter