Braunschweig und die Amerikanische Revolution anhand ausgewählter Dokumente aus dem Niedersächsischen Landesarchiv
Die Amerikanische Revolution (1763–1783 bzw. 1815) war mehr als die Loslösung der nordamerikanischen Kolonien vom britischen Mutterland. Sie bedeutete tiefgreifende politische und soziale Umwälzungen: Erstmals in der Geschichte wurde in einem Flächenstaat eine moderne Demokratie errichtet und unter Abschaffung des Feudalsystems eine neue Gesellschaftsordnung begründet – freilich bei großen sozialen Unterschieden, mangelnden Frauenrechten und dem Fortbestehen der Sklaverei.
An den damit verbundenen Kriegshandlungen war das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel beteiligt, als Herzog Karl I. seinem welfischen Vetter König Georg III. von Großbritannien ein Kontingent von rund 4.300 Soldaten vermietete, um sein hochverschuldetes Territorium vor dem Bankrott zu bewahren.
Die Ausstellung betrachtet die weltgeschichtlichen Begebenheiten unter einem braunschweigischen Fokus und verbindet die Ereignisse, die viele tausend Kilometer weit weg passierten, mit der Geschichte der Region. Anhand der Originalquellen, angeordnet in sechs Themenblöcken, wirft die Ausstellung Schlaglichter auf das Thema Braunschweigs Soldaten und die Amerikanische Revolution.
Im Dienste Britanniens.
Die Kosten des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) zwangen Großbritannien in den Folgejahren, die nordamerikanischen Kolonien zu besteuern und gegen den bislang geduldeten Grenzschmuggel zwischen diesen und vor allem dem karibischen Raum vorzugehen. An diesen Maßnahmen und dem Anspruch des britischen Parlaments, stellvertretend für die Kolonisten Abgaben beschließen zu dürfen, entzündeten sich eine Reihe von Konflikten, die in den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776–1783) mündeten. Zum Kampf gegen die „Rebellen“ mietete König Georg III., zugleich Kurfürst von Hannover, bei den deutschen Fürsten Heereskontingente, die als sogenannte Subsidientruppen eigenständige Regimenter unter britischem Oberbefehl bildeten.
Herzog Karl I. zu Braunschweig-Wolfenbüttel hatte mit seiner teuren Hofhaltung und ehrgeizigen Reformprojekten wie der Errichtung des Collegium Carolinum und des Medizinalkollegs sein Land an den Rand eines Staatsbankrotts gebracht. Die Einnahmen aus der Vermietung von Soldaten boten einen Ausweg, den drohenden finanziellen Kollaps abzuwenden.
In einem Vertrag vereinbarten Herzog Karl I. zu Braunschweig-Wolfenbüttel und König Georg III. von Großbritannien, dass das Fürstentum Truppen im Umfang von 3.964 Mann Infanterie und 336 Mann leichte Kavallerie bereitstellen sollte. Im Gegenzug sollte eine jährliche Summe von 64.500 Talern gezahlt werden. Nach Kriegsende würde die doppelte Summe für zwei weitere Jahre in Rechnung gestellt werden.
Einleitung (Protokoll) und Schluss (Eschatokoll) der Urkunde sind auf Latein verfasst, der eigentliche Vertragsinhalt auf Französisch, der damaligen Hofsprache. An der Urkunde hängt an einer rot-goldenen Kordel eine Silberkapsel, in der sich das königliche Siegel befindet. Im Deckel ist das Wappen der englischen Krone eingraviert.
Noch im Jahr des Vertragsschlusses wurde die Vereinbarung zwischen Großbritannien und Braunschweig-Wolfenbüttel in gedruckter Form öffentlich bekannt gemacht. Damit wurde auch die Werbung der Truppen vorbereitet. Braunschweig war jedoch nicht das einzige deutsche Territorium, das Soldaten nach Nordamerika schickte. In der Druckschrift werden auch die beiden anderen Subsidienverträge, die Großbritannien mit Hessen-Kassel und der Grafschaft Hanau abgeschlossen hatte, wiedergegeben. Später sollten noch Verträge mit weiteren Territorien des Heiligen Römischen Reiches folgen. Im Unterschied zum Original liegen die Verträge hier sowohl in einer englischen als auch in einer deutschen Übersetzung vor.
Im Auftrag Britanniens.
Einen Teil der Subsidientruppen stellten altgediente Soldaten der Braunschweiger Armee. Das genügte jedoch nicht – Karl I. musste neue Soldaten anwerben. Er gab Anweisung, nur Freiwillige für die Truppen zu rekrutieren. Zielgruppen waren Ausländer, Vagabunden, Bettler und dem Lande „unnütze oder sonst entbehrliche“ Leute, wie Bauernknechte, aber mitunter auch Alkoholiker und Spieler. Die Werbung im Fürstentum erfolgte durch Amtmänner, im Ausland über bestallte Truppenwerber, meist ehemalige Unteroffiziere. Erstere wiesen den Herzog darauf hin, dass ohne Zwang kaum Rekruten zu gewinnen seien und stellten Verzeichnisse mit „unnützen“ Personen auf. Der Herzog gestattete, diese „im Nothfall“ auch gewaltsam zu werben.
Rund einen Monat nach der Unterzeichnung des Vertrages zwischen Herzog Karl I. und König Georg III. von Großbritannien war die erste Truppeneinheit abmarschbereit. Im offiziellen Tagebuch der Braunschweigischen Truppen heißt es zum Abmarsch am 22. Februar 1776: „Das Regiment von Riedesel hatte seinen Sammel-Platz auf dem Holtz-Markte“ in Wolfenbüttel. Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand verabschiedete die Soldaten.
Nachdem die Werbung für neue Rekruten für den Militärdienst in Amerika zeitweilig ausgesetzt worden war, legte die braunschweigische Regierung neue Regeln für die Anwerbung von Soldaten fest. Die gedruckten Verordnungen beinhalten diese und unterrichten die Bevölkerung von den Rekrutierungen. Ziel war es, möglichst wenige eigene Untertanen zu verpflichten, da diese im Land gebraucht wurden. Insgesamt kamen die Rekruten aus 79 verschiedenen Herrschaften, meist aus benachbarten Territorien wie Hannover, Preußen und dem Eichsfeld, mehr als die Hälfte jedoch kam aus Braunschweig-Wolfenbüttel selbst.
Gegenüber den Werbern wurde auch bestimmt, nur freiwillige Rekruten zu verpflichten. Da der Einsatz in Übersee keine direkte Verteidigung des Vaterlandes sei, könne niemand gezwungen werden, dort zu kämpfen.
Auch die körperlichen Mindestvoraussetzungen und das Alter der Rekruten wurden festgelegt. Die Werber erhielten nach Körpergröße der Geworbenen gestaffelte Prämien.
Von verschiedenen Orten im Fürstentum Braunschweig aus marschierten die neu aufgestellten Truppen nach Stade und Horneburg, wo die Schiffe zur Überfahrt bereitlagen. Für die Verpflegung und Unterbringung während des Marsches musste die Bevölkerung aufkommen. Um die Orte entlang der Reiseroute nicht zu sehr zu belasten, nahmen die verschiedenen Divisionen unterschiedliche Wege zur Küste. Alle vier Tage wurde ein Rasttag eingelegt. Nach rund 13 Tagen erreichten die Truppen die Küste.
Voneinander getrennt marschierten die Regimenter von Wolfenbüttel zunächst nach Stade. Dort wurden sie von einem britischen Kommissar gemustert und auf verschiedene britische Schiffe verteilt. Diese nahmen zunächst Kurs auf Portsmouth, wo weitere Schiffe mit britischen Truppen und Ausrüstung vor Anker lagen, und brachten sie schließlich nach Quebec.
Die Aufteilung der braunschweigischen Truppen auf die einzelnen Schiffe wurde genau festgehalten. Vor allem von den Altgedienten und Freiwilligen waren nicht wenige verheiratet, einige nahmen ihre Familien mit nach Amerika. Auch andere Passagiere wie Pferde wurden in den Listen geführt.
Neun Wochen dauerte die Überfahrt. An Bord der Schiffe war es eng, es kam zu Streitereien zwischen den Soldaten unterschiedlicher Nationalitäten, einige wurden krank und starben, bevor sie ihr Ziel erreichten.
Im Dienste Britanniens.
Das vom Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel gestellte Kontingent umfasste vier Infanterie-Regimenter, ein Grenadier-Bataillon, ein Regiment Dragoner und ein Bataillon leichter Infanterie. Sie wurden von General Friedrich Adolf Riedesel befehligt, mussten aber einen Eid auf den britischen König ablegen. Das Oberkommando hatte in den Jahren 1776/77 der britische General John Burgoyne. Im Laufe des Einsatzes musste die Truppe mehrere Male umstrukturiert werden, meist nach Kämpfen, wenn einige Teile aufgerieben oder zumindest stark dezimiert worden waren.
Das Braunschweiger Heer orientierte sich bei dem Stil seiner Uniformen und der Ausstattung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts an der preußischen Armee. Probleme bereitete der strenge kanadische Winter, da es in Mitteleuropa nicht üblich war, Truppen mit spezieller Winterkleidung auszurüsten. Auch die geringe Siedlungsdichte in Nordamerika und das schlecht ausgebaute Wegenetz sorgten für Schwierigkeiten bei der Versorgung der Soldaten. Zudem mussten die teilweise sehr rasch ausgebildeten Rekruten ebenso wie die erfahrenen Soldaten für die neue Art der Kriegsführung jenseits fester Formationen geschult werden.
Die Zusammensetzung der braunschweigischen Truppen und das Schicksal der einzelnen Soldaten sind gut dokumentiert. Sogenannte Stammrollen und Stammlisten geben Auskunft über den Rang der jeweiligen Personen, Größe, Alter, Religion und erlernten Beruf sowie die Dauer der Dienstzeit. Ergänzt werden die Angaben durch eine Spalte für Bemerkungen, u.a. über Tod, Gefangennahme oder Desertion. Neuzugänge wurden pro Einheit jahrgangsweise erfasst.
Die Soldaten waren bei ihrer Rekrutierung im Durchschnitt 21 bis 25 Jahre alt. Rund ein Viertel von ihnen hatte eine abgeschlossene Berufsausbildung, überwiegend waren es Handwerker aus den Bereichen des Baugewerbes, der Nahrungsmittel- und Bekleidungsherstellung und der Holz- und Metallverarbeitung. Oft war es wohl nicht die Attraktivität des Soldatenberufs, die sie zur Fahne lockte, sondern die berufliche und soziale Perspektivlosigkeit.
Das Geld, das für die Besoldung der im britischen Dienst stehenden braunschweigischen Verbände ausgegeben wurde, stellte das herzogliche Finanzkollegium der britischen Krone in Rechnung. Dazu mussten Gesamtabrechnungen erstellt werden, die in einem separaten Rechnungsbuch jahrgangsweise festgehalten worden sind.
Neben der Generalabrechnung stellte die Kammer Großbritannien Kosten für den Marsch der Truppen durch Hannoversches Gebiet, Reparaturen von Wagen und die Bereitstellung von Pferden in Rechnung. Immer wieder beklagten sich die Braunschweiger über Differenzen in der Abrechnung und zu spät gezahlte Beträge, worüber sie langwierige Briefwechsel und Verhandlungen mit der britischen Krone hätten führen müssen.
Insgesamt forderte das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel bis 1786 zwei Millionen Reichstaler von Großbritannien. Das Geld wurde überwiegend zur Tilgung der enormen Staatsschulden eingesetzt und trug wesentliche dazu bei, den Bankrott abzuwenden.
Die in Amerika stehenden Soldaten waren von ihren Familien in der Heimat über eine lange Zeit und eine große Entfernung getrennt. Umso wichtiger war es, Wege der Kommunikation zwischen beiden Kontinenten einzurichten. Zur Gewährleistung des Briefkontaktes wurde mit der britischen Regierung daher ein Verfahren vereinbart, worüber das herzogliche Postdirektorium die Öffentlichkeit u.a. in einer Anzeige informierte.
Danach mussten die nach Amerika gehenden Briefe im Hofpostamt zu Braunschweig abgegeben werden. Am ersten Mittwoch jeden Monats wurden die Briefe dann über die Niederlande nach England gesandt und von dort weiter nach Amerika transportiert. Die Postdirektion wies darauf hin, dass die Briefe ohne Umschlag, aber mit Angabe der militärischen Einheit des Empfängers aufzulassen seien. Für die Briefe galt ein ermäßigtes Porto von vier Groschen.
Im Dienste Britanniens.
Als die ersten braunschweigischen Soldaten im Mai 1776 in Quebec ankamen, wurden sie zunächst im Kampf ausgebildet, um sie auf eine neue Art der Kriegsführung vorzubereiten. Anschließend nahmen sie im Herbst an einem Feldzug teil, bei dem es gelang, die amerikanische Armee mehrfach zu schlagen und schließlich aus Kanada zu verdrängen.
Bei der Einnahme des Forts Ticonderoga im Sommer 1777 gelang es u.a., eine Fahne zu erbeuten, die die Einheit der 13 Kolonien beschwört. Es handelt sich vermutlich um einen der frühesten Vorläufer der US-amerikanischen Flagge.
Doch wenige Monate später mussten sich die vermeintlich überlegenen Soldaten aus Europa in der Doppelschlacht bei Saratoga den amerikanischen Truppen geschlagen geben. Für Großbritannien zerschlug sich damit die Hoffnung, einen raschen Sieg über die „Rebellen“ erringen zu können. Die Braunschweiger Soldaten wurden mittels einer Konvention neutralisiert („Convention Army“) und sollten so rasch wie möglich nach Europa zurückkehren.
Der amerikanische Konvent erkannte die Vereinbarung nicht an und trotz ihrer Neutralisation wollte Herzog Karl I. bis auf Weiteres keine Rückkehr der geschlagenen Truppen, die ihm nach wie vor Einnahmen brachten. So blieben die meisten der Soldaten bis zum Jahre 1783 an wechselnden Orten als Kriegsgefangene.
Im Auftrag des braunschweigischen Oberkommandierenden General von Riedesel wurde ein offizielles Kriegsjournal geführt. Es enthält eine detaillierte Beschreibung der Reise und der militärischen Aktionen in Amerika. Täglich wurden die wichtigsten Ereignisse festgehalten, z.B. die Verteilung der Regimenter auf die verschiedenen Winterquartiere 1776/77, der verhängnisvolle Saratoga-Feldzug 1777 mit der Beschreibung der Forts auf der Marschroute, Truppenaufstellungen, der Schlacht von Saratoga und der Kapitulation von Burgoyne, sowie die Beschlüsse des Kontinentalkongresses bezüglich des Umgangs mit den britischen Gefangenen.
Die abgebildete Seite zeigt die Schlachtordnung für den Saratoga-Feldzug des Jahres 1777. Die braunschweigischen Truppen bildeten gemeinsam mit denen aus Hanau den linken Flügel.
Als Oberbefehlshaber der braunschweigischen Einheiten führte Generalmajor Riedesel eine umfangreiche Korrespondenz, sowohl mit den Verbündeten als auch den Gegnern auf amerikanischer Seite. Offizielle Schreiben beglaubigte er mit einem Siegel. Nach seiner Beförderung zum Generalleutnant 1780 wurde ein neues angefertigt. Beide zeigen das Braunschweiger Ross, das im 18. Jahrhundert zunehmend Verwendung als staatliches Symbol fand.
Zu den Korrespondenzpartnern gehörte auch General George Washington, der Oberbefehlshaber auf amerikanischer Seite und spätere erste Präsident der Vereinigten Staaten. In den ausgestellten Briefen teilte er Riedesel die Bedingungen und Modalitäten eines Austauschs von gefangenen Offizieren mit, wie sie in der Kapitulationsurkunde von Saratoga vertraglich vereinbart worden waren.
Neben offiziellen Tagebüchern oder Journalen haben auch mehrere Soldaten private Tagebuchaufzeichnungen geführt. Erhalten hat sich u.a. das Tagebuch von Johann Bense, der im Grenadier-Bataillon der braunschweigischen Truppen diente. Besonders ausführlich beschreibt Bense die Schlacht bei Saratoga, wo er mit dem Großteil der braunschweigischen Soldaten in Kriegsgefangenschaft geriet. So hielt er anschließend vorwiegend Ereignisse während seiner Internierung fest.
Bense schildert die Vorgänge sehr nüchtern, persönliche Gedanken oder Gefühle, wie es ihm im Krieg weit weg von der Heimat ging, wie die Stimmung in der Truppe war, wie er die körperlichen Anstrengungen verkraftete o.ä. – dazu finden sich keine Hinweise in dem Tagebuch. Die Verschmutzung der Seiten lässt vermuten, dass er es auf den Märschen und in den Schlachten bei sich trug.
Das Tagebuch wurde im Jahre 1985 in englischer Übersetzung ediert.
Im Dienste Britanniens.
Mit der Unterzeichnung eines Vorfriedens am 30. November 1782 bzw. des Friedens von Paris am 3. September 1783 endete der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg. Großbritannien erkannte die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Kolonien an und verzichtete auf alle Gebiete bis zum Mississippi. Die Vereinigten Staaten vergrößerten ihr Territorium bis zu den Großen Seen im Norden Amerikas.
Die Amerikanische Unabhängigkeitsbewegung hatte Einfluss auf den Rest der Welt. Zum ersten Mal hatte ein Volk in der westlichen Welt die Beherrschung durch eine Großmacht abgestreift. Sie ist der Vorreiter für weitere Revolutionen, darunter die Französische Revolution.
Der Friedensschluss beendete auch den Einsatz der braunschweigischen Truppen in Amerika. Von den mehr als 5.000 im Laufe der sieben Jahre nach Übersee verschifften Soldaten kehrten jedoch nur rund 2.000 zurück in ihre Heimat. Neben den Verlusten durch Kämpfe oder Krankheiten entschieden sich viele Soldaten, in Amerika zu bleiben und sich dort ein neues Leben aufzubauen.
Nicht selten ging mit dem Soldaten der Ernährer einer Familie in den Krieg. Während der Abwesenheit musste die Versorgung der Frauen und Kinder in der Heimat sichergestellt sein. Ansprechpartner vor Ort waren die Ämter als untere Verwaltungsinstanzen, die einen Teil des Soldes an die Familien auszahlten. Auch erhielten Soldatenkinder unter 14 Jahre Zuschüsse seitens der herzoglichen Behörden.
Die Versorgung der Soldatenfamilien war für die Verwaltung eine so umfangreiche Aufgabe, dass vorgedruckte Muster an die Ämter verschickt wurden. Auf diese Weise konnten die Soldatenfamilien und ihre Versorgung standardisiert erfasst werden.
Die Auszahlung der Versorgungsleistungen erfolgte in der jeweiligen Hauptstadt des Amtes. Für die Reise dorthin bescheinigte ein Gesundheitszeugnis Cathrine Elisabeth Haberland, der Frau eines Soldaten, dass ihr Heimatort Gittelde seuchenfrei sei und sie daher frei nach Lutter am Barenberge reisen dürfte.
Mit dem Ende des Unabhängigkeitskriegs kehrten die im britischen Dienst stehenden Soldaten in ihre Heimat zurück. Im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel sah man sich genötigt, Maßnahmen für die Versorgung der Rückkehrer zu treffen. Zur Entlastung der Invalidenkasse sollten Soldaten, die nicht mehr zum Militärdienst zu gebrauchen waren, möglichst auf dem Land und entsprechend ihrer Fähigkeiten eine Beschäftigung finden. Die Ämter wurden daher angewiesen, brach liegende Höfe zu benennen, die von Veteranen mit landwirtschaftlichen Kenntnissen bewirtschaftet werden könnten.
Zudem sollten die Verwaltungen der Ämter, wenn „Nachtwächter, Schließvögte oder andere dergleichen kleine[n] Stellen“ freiwürden, diese nicht wie bisher mit Beamten, sondern mit den Veteranen besetzen.
Auch die Verluste, die die braunschweigischen Truppen in Amerika während des Krieges erlitten, wurden genau aufgezeichnet. Verzeichnet sind Namen, Regiment und Kompanie, Herkunftsort, Alter sowie das Datum und der Grund des Abgangs. Aus den Listen ist zu entnehmen, wie vielfältig die Verluste sein konnten: manche Soldaten fielen in Kampfhandlungen oder erlagen ihren Verletzungen oder Krankheiten, andere desertierten.
Nicht wenige Soldaten wurden bei Kriegsende ausgemustert und verblieben in der Neuen Welt, vorwiegend in Kanada, und bauten sich dort ein neues Leben auf. Besonders charakterlich auffälligen Soldaten wurde diese Möglichkeit auch offensiv angeboten, um sie nach der Rückkehr nicht mehr versorgen zu müssen.
Verstorbene Soldaten mussten offiziell für tot erklärt werden, damit die Hinterbliebenen auf das Erbe zurückgreifen konnten, wie bei Heinrich Anton Philipp Meinschein aus Sickte noch 1863, der angeblich in Amerika ertrunken war.
Im Dienste Britanniens.
Der „Soldatenhandel“ wurde und wird bis heute in einer breiten Öffentlichkeit vor allem mit hessischen Truppen in Verbindung gebracht, die Rolle Braunschweig-Wolfenbüttels im Kontext der Amerikanischen Revolution tritt demgegenüber in den Hintergrund.
In Braunschweig und der Region geriet diese spektakuläre Episode der Landesgeschichte jedoch nicht in Vergessenheit, sondern fand Eingang in das kollektive Gedächtnis. Ihre Bewertung fiel – abhängig vom politischen Standpunkt – unterschiedlich aus und wurde gerechtfertigt, verdammt oder verklärt.
Die Teilnehmer des Saratoga-Feldzuges wurden von der Nachwelt eher positiv gesehen. Das gilt insbesondere für das Ehepaar Riedesel. Der General residierte in Folge als verdienter Veteran in einem bis heute nach ihm benannten Haus in Wolfenbüttel, während seine Gattin als mutige Frau und Schriftstellerin des 18. Jahrhunderts in die Geschichte einging.
Der Kommandeur der braunschweigischen Truppen, General Friedrich Adolf von Riedesel, hatte 1762 die damals 16-jährige Friederike, Tochter des preußischen Ministers Julius von Massow, geheiratet. Im Jahr darauf bezogen sie das Haus am Stadtmarkt 8 in Wolfenbüttel, wo sie mit Unterbrechungen bis 1789 lebten.
Mit drei kleinen Kindern folgte Friederike Riedesel ihrem Mann auf den noch kaum bekannten Weltteil. Ihre Reise hielt sie in einer Beschreibung fest, die bis heute als wichtige Quelle, aber auch als literarisch ansprechendes Werk des 18. Jahrhunderts gilt.
Zum Weihnachtsfest des Jahres 1781 ließ Friederike Riedesel im Gouverneurshaus der kanadischen Stadt Sorel einen Weihnachtsbaum aufstellen. Angeblich brachte sie damit diese Tradition von Europa nach Nordamerika. Die Anekdote bot in späterer Zeit Anknüpfungspunkte, um den Einsatz der braunschweigischen Soldaten zum heimelig anmutenden Idyll zu stilisieren.
Die Revolution von 1918/19 führte zur Abschaffung der Monarchie, Braunschweig wurde zum Freistaat. Die entthronten Welfen forderten einen Anteil am Staatsvermögen, insbesondere an den Kammergeldern, ein jahrelanger Rechtsstreit war die Folge. Ein wichtiges Argument gegen diese Ansprüche bestand im Verweis auf den „Verkauf der Landeskinder“ in Übersee, der die Verschwendung Herzog Karls habe finanzieren sollen.
Paul Zimmermann, der zutiefst welfisch gesinnte Leiter des Landeshauptarchivs, schrieb in einem wissenschaftlichen Aufsatz gegen diese Deutung der Ereignisse an und ließ den Text auch dem Ministerpräsidenten Heinrich Jasper zukommen. Der Politiker setzte sich intensiv damit auseinander und äußerst sich in einem Brief skeptisch zu einigen Thesen Zimmermanns und legte seine Sicht der Dinge dar.
Wie aus zeitgenössischen Briefen zu entnehmen ist, war die gebildete Schicht des Fürstentums gespalten in Unterstützer der Briten und der Amerikaner. Auch aus Sicht der braunschweigischen Soldaten waren die Unionstruppen einerseits Rebellen, die sich gegen ihren König erhoben, andererseits aber auch Männer, die für ihr Land und für ihre Freiheit kämpften. Für viele einfache Soldaten war der Dienst unter braunschweigischer Fahne ohnehin vor allem Broterwerb und kein Kampf um Prinzipien.
Die Frage, was von dem Einsatz der Braunschweiger in Nordamerika bleibt, ist nicht einfach zu beantworten. Die Subsidientruppen leisteten einen wichtigen Beitrag dazu, dass Kanada kein Teil der USA wurde. Was die Heimkehrer an Wahrnehmungen und Ideen aus der neuen Welt mit in ihre Heimat brachten und welche Verbindungen zwischen Braunschweig und den in Amerika Verbliebenen bestanden, ist bislang noch nicht untersucht. Vielleicht kann diese Ausstellung zur weiteren Erforschung des Themas anregen – an Quellen mangelt es nicht, es gäbe noch viel zu entdecken.
Einleitung| Modell: Soldaten zum Abmarsch nach Amerika, im Hintergrund die Trinitatiskirche in Wolfenbüttel (ohne Nummer [Detail]).
1| Subsidienvertrag zwischen König Georg III. von Großbritannien und Herzog August Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg wegen Überlassung Braunschweigischer Truppen für den Krieg in Amerika (Wolfenbütteler Vorvertrag; Braunschweig, 9. Januar 1776) (NLA WO, 142 Urk Nr. 507 [Detail: Unterschrift, Siegel und Liste der Truppen]).
1.1| Subsidienvertrag zwischen König Georg III. von Großbritannien und Herzog August Wilhelm zu Braunschweig-Lüneburg wegen Überlassung Braunschweigischer Truppen für den Krieg in Amerika (britische Ratifizierung; London (St. James Palace), 19. Januar 1776) (NLA WO, 142 Urk Nr. 509).
1.2| Gedruckte Subsidienverträge König Georg III. von Großbritannien mit Landgraf von Hessen-Kassel, Herzog Karl I. von Braunschweig-Lüneburg und dem Erbprinzen von Hessen-Kassel, regierenden Grafen von Hanau mit Namen der ausmarschierten Truppen, sowie zwei Abschriften des Vertrags mit Herzog Karl I., die auch die Namen der Befehlshaber der Truppenteile auflisten (NLA WO, 38 B Alt Nr. 231).
2| Modell: Soldaten zum Abmarsch nach Amerika, im Hintergrund die Trinitatiskirche in Wolfenbüttel (ohne Nummer [Detail]).
2.1| Herzog Karl I. zu Braunschweig-Lüneburg befielt, dass die Militäranwerbung zur Ergänzung der Braunschweigischen Truppen in Amerika nunmehr wieder ihren Anfang nehmen und wie die Beschaffenheit der Rekruten sein soll; Braunschweig, 14. August 1779 (NLA WO, 40 Slg Nr. 12110).
2.2| Die Formierung des in englischen Sold überlassenen Corps fürstlicher Truppen mit Marschtabellen; 1775–1785 (NLA WO, 38 B Alt Nr. 232).
2.3| Die Formierung des in englischen Sold überlassenen Corps fürstlicher Truppen mit der Aufteilung der Truppen auf die Schiffe zur Überfahrt; 1775–1785 (NLA WO, 38 B Alt Nr. 232).
3| Kolorierte Zeichnungen von Braunschweigischen Soldaten aus der Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (NLA WO, 237 N Nr. 89 [Detail]).
3.1| Listen etc. über die Stärke der braunschweigischen Truppen insgesamt sowie ihrer einzelnen Teile, Stammrollen und Stammlisten; 1776–1783 (NLA WO, 237 N Nr. 107).
3.2| „Generalabrechnungen über die englischen Subsidiengelder für die in anno 1776 nach Amerika gesandten fürstl. Braunschweig-Lüneburg. Truppen“ (unvollendet); 1780–1782, hier Abrechnung für das Jahr 1776 (NLA WO, 71 Alt Nr. 298).
3.3| Die portofreie Bestellung der Briefe von und nach Amerika für die in englischen Sold überlassenen Fürstlichen Truppen; 1776–1780 (NLA WO, 38 B Alt Nr. 245).
4| Kolorierte Zeichnung eine Regimentsflagge und eine Fahne, welche die Einheit der 13 Kolonien beschwört, die bei der Einnahme des Forts Ticonderoga 1777 erbeutet wurden; 1777 (NLA WO, 38 B Alt Nr. 236 [Detail]).
4.1| Tagebuch der braunschweigischen Truppen in Nordamerika unter dem Befehl des Generalmajors von Riedesel; 1776–1779 (NLA WO, 237 N Nr. 95).
4.2| Schriftwechsel des Generalmajors Friedrich Adolf, Freiherrn von Riedesel, Führers des braunschweigischen Kontingents der britischen Armee in Nordamerika, mit George Washington, dem Oberbefehlshaber der Truppen der Konföderation; 1776–1783 (NLA WO, 237 N Nr. 59).
Siegelstempel (Typare) General Riedesels als Generalmajor und Generalleutnant (NLA WO, 2 Slg 1 L Nr. 3 und 4).
4.3| Marsch-Route von Braunschweig bis Amerika nebst den vornehmsten Begebenheiten der 1. Division der Herzoglich Braunschweigischen Truppen, geführt von Johann Bense, 22 Februar 1776 bis 10. Juni 1783 (NLA WO, VI Hs 18 Nr. 7).
5| Todeserklärung des in Amerika verschollenen Soldaten Heinrich Anton Philipp Meinschein aus Sickte; 1863 (NLA WO 39 Neu 25 Nr. 719 [Detail]).
5.1| Unterstützung und Dienst- und Kopfgeldbefreiung der Soldatenfrauen, deren Männer in Amerika Kriegsdienste leisten; 1776–1782 (NLA WO, 8 Alt Lut Nr. 129).
5.2| Herzog Karl Wilhelm Ferdinand zu Braunschweig-Lüneburg zur Versorgung aus Amerika zurückkehrender, zu Kriegsdiensten nicht mehr brauchbarer Personen; 1783 (NLA WO, 40 Slg Nr. 12438).
Die Unterbringung der von den aus Amerika zurückgekommenen Truppen nicht mehr brauchbaren Soldaten, deren zugesicherte Unterstützung und Freiheiten. Darin: Verzeichnis solcher im Amt Campen ansässig gewordenen Soldaten; 1783–1784 (NLA WO, 8 Alt Campen Gr. 25 Nr. 9).
5.3| Zwei namentliche Verzeichnisse aller von dem Herzoglichen Korps in Amerika vor dem Feind gebliebenen, an Wunden oder Krankheiten gestorbenen, desertierten oder auf sonstige Art abgegangene Offiziere, Unteroffiziere, Gemeine und Knechte; 1783 (NLA WO, 38 B Alt Nr. 260 Bd. 1).
6| Das Wohnhaus der Familie Riedesel am Stadtmarkt in Wolfenbüttel. Foto: Gerhard Stoletzki.
6.1| Friederike Riedesel: Mit dem Mut einer Frau. Erlebnisse und Erfahrungen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, hrsg. v. Wolfgang Griep, Stuttgart/Wien 1989.
Aufstellung eines Weihnachtsbaumes 1781 in Sorel durch Friederike Riedesel; undatiert [19. Jahrhundert], Reproduktion eines Gemäldes von Werner Schubert, Montreal (NLA WO, 50 Slg 213 Nr. 6).
6.2| Paul Zimmermann: Beiträge zum Verständnis des zwischen Braunschweig und England am 9. Januar 1776 geschlossenen Subsidienvertrages. In: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig 13, 1914, S. 160–176 [hier als Sonderdruck].
Brief vom Braunschweigischen Ministerpräsident Heinrich Jasper an den Leiter des Landeshauptarchivs Paul Zimmermann vom 19. Juni 1924 (NLA WO, 249 N Nr. 408).
Schluss| Karte der Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Friedenschluss von 1783 (A map of the United States of America, as settled by the peace of 1783, United States Library of Congress’s Geography & Map Division).
Die „virtuelle Ausstellung“ wurde nach einer Ausstellung, die vom 8. November 2021 bis 4. Februar 2022 in der Abteilung Wolfenbüttel des Niedersächsischen Landesarchivs gezeigt wurde, gestaltet.
Konzeption:
Meike Buck (NLA-Abteilung Wolfenbüttel)
Dr. Philip Haas (NLA-Abteilung Wolfenbüttel)
Mitarbeit:
Dr. Christian Helbich (NLA-Abteilung Hannover)
Eike Kuthe (NLA-Abteilung Wolfenbüttel)
Technische Umsetzung:
Christian Manuel Meyer
(NLA-Abteilung Zentrale Dienste)